Digitale Mode – Milliardengeschäft mit Zukunftspotenzial oder kurzlebiger Trend?

Blogpost, 04.08.2023

Die Idee, dass bestimmte Kleidungsstücke oder -stile modisch sind, ist keineswegs neu. Bereits in der Antike wurde beispielsweise die sogenannte Tunika zu besonderen Anlässen oder aus Gründen der Mode bewusst mit anderen damaligen Kleidungsstücken kombiniert.

Ob wechselnde Haartrachten, eine durch Kleidung vermittelte Zugehörigkeit zur Ständeordnung im Mittelalter oder in der Biedermeierzeit der sogenannte Vatermörder (ein steifer, hoher Stehkragen an Herrenhemden) – Wie ein roter Faden zieht es sich durch die Menschheitsgeschichte, dass sich Mode und Kleidung immer weiterentwickeln und neu erfunden haben.

Auch wenn das aus den 90ern stammende Konzept der „Fast Fashion“ die Dauer einzelner Modetrends in den letzten Jahrzehnten stark verkürzt hat, so bleibt der rote Faden, sowie das Kommen und Gehen bestimmter Moden doch erhalten. Auch unser Kleiderschrank enthält Lieblingsstücke, die sowohl vor als auch in 150 Jahren einfach fehlplatziert wirken würden.

Alle genannten Beispiele eint jedoch ein Umstand: Sie wurden von den Menschen (auf der Haut) getragen. Was im ersten Moment selbstverständlich klingen mag, könnte in Zukunft immer häufiger zu bestimmten Kleidungsstücken dazugesagt werden müssen. Denn digitale Mode erfreut sich immer größerer Beliebtheit.

Doch was ist Digitale Mode?

Viele werden bei der Suche nach der Antwort unmittelbar an Online-Shopping denken. Doch im Falle digitaler Mode erfolgt nicht nur der Erwerb digital, sondern auch die Nutzung des Produkts selbst ist lediglich online möglich.

Wer sich also auf die Webseiten von Marken wie Tribute Brand oder The Fabricant begibt, lädt im Zuge des Kaufprozesses ein Bild von sich hoch, auf welchem man die neu erworbene, digitale Kleidung später maßgeschneidert tragen wird.

So entsteht ein unverwechselbarer Look, der es den Käufer:innen erlaubt, jede denkbare modische Grenze zu überschreiten. Physikalische Gesetze können problemlos überwunden werden, und auch das Tragen von Flammen, Wasser oder nicht existenten Materialien ist möglich. Digitale Mode hat also weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung als die herkömmliche Mode.

Und das hat seinen Preis. Denn obwohl die Kleidung niemals physisch getragen werden kann, sind kaum Preisunterschiede zu gängigen Marken erkennbar. So verlangt Tribute Brand beispielsweise 190 € für das Kleid „Monika“.

Bild: Tribute Brand

Doch für was genau fallen dann die Beträge in solch einer Höhe an? Zum einen zahlt man für die Illusion des Tragens. Immerhin sitzt das erworbene Kleidungsstück nach einer gewissen Bearbeitungszeit auf dem eingesendeten Bild wie angegossen.

Und schon kann der außerirdisch wirkende Look von „Monika“ der eigenen Followerschaft auf Instagram und Co. präsentiert werden.

Ein teurer Preis für eine bestenfalls gesteigerte Anzahl an Likes und Kommentaren, den einige aus allein derartigen Gründen zu zahlen bereit sind.

Digitale Mode als NFT

Doch mit dem Kauf digitaler Mode geht noch mehr einher. Zum anderen wird hierbei nämlich häufig ein non-fungible Token des Produktes, kurz NFT erworben. Solche „nicht austauschbaren Token“ sind digitale Objekte, die in dieser Form nur einmal existieren und geschützt sind.

Digitale Mode kann also vieles sein, von der Verschmelzung digitaler Kleidungsstücke mit echten Personen, bis hin zur Sicherung und Nutzung solcher NFTs.

Im Detail besteht der Unterschied zu einer herkömmlichen JPEG-Datei bei Letzterer darin, dass NFTs durch die Blockchain-Technologie abgesichert sind, sodass ein fälschungssicheres Echtheitszertifikat besteht.

Digitale Mode ist durch die Blockchain-Technologie also genauso individuell, einzigartig und vor allem kaufenswert wie physische Modestücke auch. Das sieht zumindest ein ganzer Markt inklusive Kund:innen und Marken so.

Gucci, Ralph Lauren, Nike, Adidas, Balenciaga, Moncler – die Liste an Marken mit digitalen Produkten ist namhaft und mit diesen wenigen Beispielen noch lange nicht beendet.

Ähnlich vielseitig wie die Marken hinter den digitalen Produkten sind jedoch auch die Produkte selbst: Von einzelnen Pieces oder Outfits, über ganze Kollektionen und Kooperationen, bis hin zu digitalen Düften und bereits abgehaltenen Metaverse Fashion Weeks ist alles mit dabei.

Bild: Shubhan Dhage on Unsplash 

Metaverse und Gaming

Diverse Mode-Unternehmen haben also weitaus mehr als nur einen Fuß in der Tür zur Welt der digitalen Kleidung. Statt einzelne Kleidungsstücke, deren Preise oder spezifische Events zu beleuchten, lohnt hier allerdings ein allgemeinerer Blick auf das Geschehen.

Die entscheidenden Stichworte lauten hier „Metaverse“ und „Gaming“. Lest euch dazu gerne unseren Blogartikel zum Thema „Metaverse“ durch, aus dem auch hervor geht, dass diese beiden Welten nur schwer voneinander zu trennen sind.

Wer im Metaverse unterwegs ist, taucht mit einem Avatar in eine immersive, dreidimensionale Welt ein. Zumindest sind das die Vorstellungen, denn noch handelt es sich bei dem Metaverse mehr um viele zerstreute und vage Konstrukte als ein klares Endprodukt.

Aber genau hier werden Modemarken, Kund:innen und die digitale Umsetzung zusammengeführt. Denn in als solchen gehandelten Metaversen wie Decentraland, Roblox oder Fortnite, bei denen User:innen in Echtzeit interagieren und eintauchen können, schlägt die digitale Mode ein.

Gerade bei Onlinegames wie League of Legends oder Fortnite bieten Louis Vuitton, Balenciaga und Co. sogenannte „Skins“ an. User:innen haben die Möglichkeit, ihre Avatare vollkommen frei zu gestalten und können mittlerweile auch bei der Bekleidung auf digitale Kollektionen oder Kleidungsstücke solcher Fashiongiganten zurückgreifen.

Und der Markt für solche Skins ist riesig. Hauptsächlich durch den Verkauf von V-Bucks, einer im Spiel verwendeten Währung, die unter anderem für den Kauf von Skins und Accessoires verwendet wird, setze Fortnite innerhalb von zwei Jahren rund 9 Milliarden Euro um.

Das Marktforschungsunternehmen LendEDU konnte zeigen, dass rund 60% der Einnahmen Fortnites durch den Erwerb genau solcher Skins generiert werden.

Nur nachvollziehbar, dass die großen Modemarken hier einen ganz neuen Markt erschließen wollen, und die Chance nutzen wollen, eine ganz neue Zielgruppe anzusprechen.

Nach Prognosen der Investmentbank Morgan Stanley werden allein die Luxusmarken Umsätze von rund 50 Milliarden Dollar im Metaverse im Jahr 2030 erzielen.

Bild: Vadim Bogulov on Unsplash

Fazit zur Digitalen Mode

Es wurde deutlich, dass digitale Mode verschiedene Ausprägungen hat. Während Skins bereits einen Milliardenmarkt darstellen, ist die Bildbearbeitung mit einzelnen digitalen Kleidungsstücken eher als Nischenphänomen zu betrachten.

Falls Zuckerbergs Rechnungen zum Metaverse aufgehen, und wir in Zukunft regelmäßig in die virtuelle Welt abtauchen werden, dürften wir dort definitiv viele spannende Kleidungsstile erwarten und einige Avatare mit bereits gefüllten Kleiderschränken antreffen.

Es ist aber nicht die Frage nach den Marken des digitalen T-Shirts oder des virtuellen Schals, die wir uns stellen sollten, sondern die Frage, ob wir solche Entwicklung wirklich für uns wollen.

Denn worin bestehen die Unterschiede zwischen Mode und digitaler Mode wirklich? Ein Wetteifern, welchen Namen und Preis ein Schild trägt, haben wir bereits in vielen Fällen in der realen Welt. Das grundlegende Motiv des Kaufes eines Gucci Pullovers im Metaverse unterschiedet sich wohl kaum von dem im echten Leben. Das Schlüsselwort ist jeweils Individualität.

Digitale Mode ermöglicht es uns, unsere durch teure oder außergewöhnliche Kleidungsstücke gewonnene Individualität ins Digitale zu verlagern. Individuelles Aussehen, virtuelle, zwischenmenschliche Interaktionen, personalisierte Kleidung und Bewegungsfreiheit – dadurch sollen sich die Avatare im Metaverse immerhin auszeichnen.

Und trotzdem sind sämtliche digitale Kollektionen, Outfits oder Events lediglich Angebote. Wir scheinen oft zu vergessen, dass wir eine Wahl haben, Teil solcher Entwicklungen zu sein.

Das Update unserer Wertestudie „Values & Visions 2030“ zeigt genau dieses Spannungsverhältnis zwischen Individualität und der eigentlichen Sehnsucht nach auch nicht-digitalen, menschlichen Erfahrungen.

Wir sehnen uns zwar nach nicht-digitalen Erfahrungen und Geborgenheit in der Natur, sind allerdings gleichzeitig der Auffassung, dass der Eintritt solcher Entwicklungen unwahrscheinlich ist. Oftmals digital ausgelebte betonte Individualität, sehen wir hingegen als wahrscheinlich, aber gleichzeitig weniger erwünscht in Zukunft an.

Ob wir uns digitale Mode kaufen und damit schick gekleidet im Metaverse spazieren gehen, entscheidet jede Person selbst. Der Trend scheint zu zeigen, dass sich solche Angebote immer größerer Beliebtheit erfreuen, weshalb die Umsätze bereits jetzt gewaltig sind.

Allerdings werde die besonders hohen Umsätze im Regelfall durch Kleidung bzw. Skins als Mittel zum Zweck im Gaming erzielt. Das Spiel steht im Vordergrund, auch wenn das Aussehen des Avatars dadurch natürlich nicht irrelevant ist.

Aber wenn derartige Umsätze mit bloßen digitalen Kleidungsstücken erzielt werden, losgelöst von Spielen wie Fortnite oder anderen vergleichbaren virtuellen Events, und ausschließlich des Tragens wegen getragen werden, würden viele voraussichtlich doch das haptische Stück Stoff jedes Mal vorziehen.